Richtlinie
Merkblatt zum Wirtschaftsförderprogramm „BBBsocial“
1. Förderzweck und Rechtsgrundlagen
1.1 Rechtsgrundlagen
Das Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe gewährt nach Maßgabe des § 39 Landeshaushaltsordnung Berlin, dieses Merkblatts, der Rückbürgschaftserklärung „BBBsocial“ und der Ausführungsvorschriften zu § 39 LHO in Verbindung mit 765ff. BGB und § 3 Abs. 5 Haushaltsgesetz des Landes Berlin für von der Bürgschaftsbank übernommene Ausfallbürgschaften die globale Rückbürgschaft.
Die Gewährung der Bürgschaften erfolgt unter Beachtung der beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Union als „De-minimis“-Förderung unter Einhaltung der Voraussetzungen der sog. Allgemeinen De-minimis-Verordnung1) in ihrer jeweils geltenden Fassung.
1.2 Förderziel und Förderzweck
Ziel des Wirtschaftsförderprogrammes „BBBsocial“ ist die Unterstützung von kleinen und mittleren sozialen Unternehmen sowie Soloselbstständigen und Angehörigen freier Berufe mit sozialer Ausrichtung in Berlin.
Mit dem Förderprogramm soll es sozialen Unternehmen gelingen, eine Etablierung am Markt zu realisieren. Mangels Sicherheiten ist es für diese oftmals schwierig, finanzielle Mittel über Kredite zu erhalten. Durch das Programm soll die Start- und Wachstumsfinanzierung bei verminderter Gefahr der Privatinsolvenz für Unternehmer und Unternehmerinnen verbessert werden.
Damit leistet das Förderprogramm einen Beitrag zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der sozialen Unternehmen in Berlin und zur Zukunftsfähigkeit eines sozialen, integrativen und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsstandortes.
2. Gegenstand der Förderung
Die Bürgschaftsbank zu Berlin-Brandenburg GmbH, Berlin (BBB) übernimmt Ausfallbürgschaften für Finanzmittel (z.B. Darlehen, Garantien) von Kreditinstituten an die Zielgruppe für betriebswirtschaftlich tragfähige und volkswirtschaftlich förderungsfähige Vorhaben, welche vom Land Berlin im Rahmen der Rückbürgschaftserklärung rückverbürgt werden. Die Höchstgrenze für Bürgschaften beträgt max. 1.250.000 EUR und max. 80% des Kreditbetrages unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen der Allgemeinen De-minimis-Verordnung.
3. Zielgruppe
Im Rahmen dieses Programms sind ausschließlich kleine- und mittelständische Unternehmen (KMU), die im Sinne des § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) mit einer gewerbesteuerpflichtig bei einem Berliner Finanzamt gemeldeten Niederlassung, Betriebsstätte oder Sitz tätig sind oder KMU, die einen Sitz, eine Niederlassung oder eine Betriebsstätte in Berlin errichten wollen oder Soloselbständige und freiberuflich Tätige, die im Sinne des § 15 und/oder § 18 Einkommenssteuergesetz tätig sind und ihre Tätigkeit im Land Berlin versteuern, förderfähig, sofern es sich um soziale Unternehmen handelt.
Soziale Unternehmen verfügen über eine Organisationsstruktur, welche auf Prinzipien der Mitbestimmung und Transparenz basiert und auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet ist. Sinn und Zweck der Geschäftstätigkeit ist ein soziales, ökologisches oder gesellschaftlich gemeinnütziges Ziel und die Schaffung eines überprüfbaren, gesellschaftlichen Mehrwerts durch die unternehmerische Lösung klar benannter gesellschaftlicher Probleme. Sie sind auf freien und gesetzlich geregelten Märkten durch die Herstellung von Waren und/oder der Erbringung von Dienstleistungen wirtschaftlich tätig und beziehen ihre Einnahmen überwiegend, das heißt zu mehr als 50%, nicht aus staatlichen Leistungen2). Der überwiegende Teil der Gewinne verbleibt im Unternehmen und wird nicht an Gesellschafter oder Stakeholder ausgeschüttet.
3.1 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Förderfähig sind alle Unternehmen mit:
- weniger als 250 Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) und
- einem maximalen Jahresumsatz von 50 Mio. EUR pro Jahr oder
- einer maximalen Bilanzsumme von 43 Mio. EUR pro Jahr
Stichtag für die Feststellung ist der Zeitpunkt der Entscheidung über den gestellten Antrag.
3.2 Soloselbständige und freiberuflich Tätige
Als förderfähige soloselbstständig und/oder freiberuflich Tätige i.S. des Förderprogrammes gelten Personen, die ihre selbstständige Tätigkeit im Hauptberuf ausüben, d.h. dass der überwiegende Teil der Summe ihrer Einkünfte (mind. 51%) aus gewerblicher (§ 15 EStG) und/oder freiberuflichen (§ 18 EStG) Tätigkeit stammt.
Die Tätigkeit ist grundsätzlich im Land Berlin zu versteuern.
3.3 Soziale Unternehmen
3.3.1 Sozialer Zweck und gesellschaftlicher Mehrwert der Geschäftstätigkeit
Der Sinn und Zweck der Geschäftstätigkeit ist auf die Schaffung eines überprüfbaren gesellschaftlichen Mehrwerts durch eine unternehmerische Lösung von klar benannten, gesellschaftlichen und/oder sozialen Probleme ausgerichtet. Die Vereinten Nationen haben in ihrer „Agenda für nachhaltige Entwicklung 2030“ folgende 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert, an welchen sich das Wirkungsgebiet des sozialen Zwecks der Geschäftstätigkeit orientieren kann:
- Keine Armut
- Kein Hunger
- Gesundheit und Wohlergehen
- Hochwertige Bildung
- Geschlechtergleichheit
- Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen
- Bezahlbare Saubere Energie
- Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
- Industrie, Innovation und Infrastruktur
- Weniger Ungleichheiten
- Nachhaltige Städte und Gemeinden
- Nachhaltiger Konsum und Produktion
- Maßnahmen zum Klimaschutz
- Leben unter Wasser
- Leben an Land
- Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
- Partnerschaften zur Erreichung der Ziele
Der Nachweis des sozialen Zwecks erfolgt unterlagenbasiert entweder über ein aussagekräftiges Geschäftsmodell (Businessplan), die Satzung oder einen Wirkungsbericht.
Geschäftsmodell: Der gesellschaftliche Mehrwert wird im Rahmen des Geschäftsmodells mindestens in einem der folgenden Punkte geschaffen:
- Herstellung: Die Leistungserstellung ist besonders ökologisch oder fair, im Herstellungsprozess werden benachteiligte Menschen integriert.
- Kundenkreis: der sozialen Zielstellung entsprechend wird eine Dienstleistung erbracht, welche die soziale/gesellschaftliche Situation des Zielgruppenkreises verbessert oder auf eine Verbesserung hinwirkt.
- Angebot: das angebotene Produkt oder die angebotene Dienstleistung ist eine soziale Innovation bzw. das hergestellte Produkt/Dienstleistung trägt zur gesamtgesellschaftlichen oder ökologischen Verbesserung bei.
Ein diesbezüglich aussagekräftiges Geschäftsmodell (bzw. Businessplan, Businessmodell) ist dem Antrag beizufügen.
Satzung: Das Unternehmen erklärt sein Ziel, ein bestimmtes gesellschaftliches und/oder soziales Problem anzugehen und einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen, in der Satzung.
Wirkungsmessung (Audit): Die nachhaltige Verfolgung des Ziels wird über eine Wirkungsmessung (Audit) der Aktivitäten im Geschäftsfeld nachgewiesen. Möglichkeiten des Nachweises sind z.B. eine B-Corp Zertifizierung, eine Gemeinwohl-Bilanz, ein Sozial-Audit oder vergleichbare Instrumente/Zertifizierungen zur Wirkungsmessung.
3.3.2 Organisationsstruktur
Innerhalb der Organisationsstruktur werden Partizipation (Beteiligung der unternehmensinternen Stakeholder) und Transparenz (z.B. Offenheit in Bezug auf unternehmerische Strategie, Kooperationen, Veröffentlichung von Wirkungsberichten und Geschäftszahlen) umgesetzt. Förderfähig sind alle gängigen Rechtsformen.
Dem Bürgschaftsantrag ist eine Selbstauskunft (Anhang I zum Merkblatt) über die Umsetzung von Partizipation und Transparenz innerhalb der Organisationsstruktur beizufügen.
Soloselbständige und Freiberufler sind hiervon ausgenommen.
3.3.3 Wirtschaftliche Kriterien
Unabhängig von der rechtlichen Organisationsform muss ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 Satz 1 Abgabenordnung vorliegen.
Das Unternehmen erwirtschaftet mindestens 30% der Umsätze durch Markttätigkeit, das heißt durch das Anbieten von Waren und Dienstleistungen auf freien und gesetzlich geregelten Märkten.
Es werden weniger als 50% der Umsätze aus staatlichen Leistungen bezogen.
Das Unternehmen verpflichtet sich, mindestens 60% der Gewinne zu thesaurieren. Dies geschieht unter der Berücksichtigung eines angemessenen Unternehmerlohns. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung wird dem Antrag beigefügt. Die Verpflichtung zur Gewinnthesaurierung entfällt für Personengesellschaften, Freiberufler und Soloselbständige.
3.4 Nicht förderfähige Unternehmen
- Öffentliche Unternehmen;
- Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten i.S.d. AGVO3);
- vom Anwendungsbereich der Allgemeinen De-minimis Verordnung4) ausgeschlossene Bereiche;
- Unternehmen oder Soloselbstständige, die ihre Geschäftstätigkeit oder Zahlungen eingestellt haben;
- Unternehmen oder Soloselbstständige, für deren Vermögen ein Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet worden ist. Dasselbe gilt für Unternehmen und, sofern das Unternehmen eine juristische Person ist, für den oder die Inhaber der juristischen Person, soweit diese eine eidesstattliche Versicherung/Vermögensauskunft nach § 807 der Zivilprozessordnung oder § 284 der Abgabenordnung abgegeben haben oder zu deren Abgabe verpflichtet sind;
- Unternehmen oder Soloselbstständige, die einer Rückforderungsanordnung aufgrund eines früheren Beschlusses der Europäischen Kommission zur Feststellung der Unzulässigkeit einer Beihilfe und ihrer Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt nicht nachgekommen sind;
- Unternehmen, welche mehr als 50% ihres Umsatzes aus staatlicher Förderung bestreiten
4. De-minimis Förderung
Die Bürgschaften im Rahmen des Wirtschaftsförderprogrammes „BBBsocial“ werden als De-minimis-Förderungen gemäß der Allgemeinen De-minimis-Verordnung5) gewährt.
Das bedeutet, dass die maximale De-minimis-Förderung für ein einzelnes Unternehmen die Grenze von 200.000 EUR (Bruttosubventionsäquivalent) in insgesamt drei Steuerjahren nicht überschreiten darf. Für Unternehmen des gewerblichen Straßengüterverkehrs gelten geringere Höchstgrenzen, welche ebenfalls einzuhalten sind.
Eine Förderung wird erst gewährt, wenn sichergestellt ist, dass die Voraussetzungen der Allgemeinen De-minimis-Verordnung erfüllt sind.
5. Sicherheiten
Der zu verbürgende Kredit soll in zumutbarem Umfang mit banküblichen Sicherheiten besichert werden.
Personen, die kraft ihrer Stellung als Gesellschafterin oder Gesellschafter wesentlichen Einfluss auf das antragstellende Unternehmen ausüben können, sollen grundsätzlich für den zu verbürgenden Kredit mithaften.
Es wird sich vorbehalten, im Einzelfall die Mithaftung Dritter zu verlangen.
6. Öffnungsklausel
In Einzelfällen kann die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe im Einvernehmen mit dem Förderausschuss Ausnahmen von den vorstehenden Regelungen zulassen.
7. Verfahren
Das Verfahren der Antragstellung sowie eine Übersicht über die beizubringenden Unterlagen sowie weitere Hinweise und Vorgaben zum Antragsverfahren und den nachfolgenden Prozessen sind den „Allgemeinen Bürgschaftsbestimmungen“ der BBB zu entnehmen.
1) Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (Amtsblatt der EU L 352/1 vom 24. Dezember 2013), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 2020/972 vom 2 Juli 2020 (Amtsblatt der EU L 215/3 vom 7. Juli 2020).
2) z.B. Zuwendungen aus staatlichen Förderprogrammen, Zuwendungen nach dem Sozialgesetzbuch
3) UiS gemäß Art. 1 Abs. 4 lit. c) i.V.m. Art. 2 Abs. 18 VO (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 AEUV (AGVO) in ihrer jeweils geltenden Fassung.
4) vgl. Fn. 1
5) vgl. Fn. 1